Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dominiert seit Wochen die Schlagzeilen. Die schrecklichen Bilder sorgen für Entsetzen und schüren die Sorge, dass der Krieg sich ausweitet – möglicherweise auch auf Mitgliedsländer der Europäischen Union. Der mörderische Konflikt bestimmte auch den Europatag in Bad Pyrmont.

Ohne die Initiative des französischen Außenministers Robert Schumann gäbe es den Zusammenschluss zahlreicher Länder zu einem Europa der heutigen Form wohl nicht. Unmittelbar nach den Schrecken des verheerenden Zweiten Weltkrieges auf diesem Kontinent ein gemeinsames Gebilde zu schaffen, das für lange Zeit ein friedliches Miteinander gewährleistete, war und ist auch heute noch eine herausragende Tat.

Insofern war es keinesfalls verwunderlich, dass den Tag der sogenannten „Schumann-Erklärung“, die am 9. Mai 1950 eine Produktionsgemeinschaft von Kohle und Stahl als Grundstein eines neuen europäischen Gebäudes schuf, die sich zusammenschließenden Länder zur Ehrung und Erinnerung als „Europatag“ proklamierten und auch heutzutage noch begehen.

Doch so ganz friedvoll war es wohl nur zwischen den Ländern, die sich dem Gebilde Europa vertraglich verbanden. Die Erinnerungen an die schrecklichen Folgen auf dem Balkan in den 1990er Jahren und die damit einhergehenden Bilder sind vielfach noch in Erinnerung. Dort droht aktuell ein neuer Konflikt, möglicherweise auch von Russland befeuert.

Doch noch bedrohlicher ist der mörderische Krieg in der Ukraine, wie am Samstag im Ratssaal in den Redebeiträgen deutlich wurde. Der Kreisverband Bad Pyrmont der Europa-Union, der zahlenmäßig drittstärkste Verband in Niedersachsen, wie der Vorsitzende Michael Nousch stets zu betonen weiß, hatte nach Coronabedingter zweijähriger Pause zum Europatag ins Rathaus eingeladen.

Neben Bürgermeister Klaus Blome als Hausherr waren der Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont, Dirk Adomat, und das Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des Handelsausschusses, Bernd Lange, der Einladung gefolgt. Zwar hatte der Kreisverbandsvorsitzende dem Europaabgeordneten Lange als Thema des Festvortrages den „Europäischen Handel – Chancen und Risiken“ vorgegeben, doch das war noch vor dem am 24. Februar begonnenen Überfall russischer Truppen auf die Ukraine.

So war es nicht nur verständlich, dass Lange auf die europäischen Reaktionen auf den Konflikt einging, sondern geradezu von den rund 50 Anwesenden erwartet worden. Dieser 24. Februar habe alles, so Lange, auf den Kopf gestellt. Pikanterweise habe Russland die Ukraine an dem Tag angegriffen, der in einem anderen Nachbarland, nämlich Estland, als Befreiungstag von Russland gefeiert werde. Die Ängste in eben diesen Nachbarstaaten vor dem „Größenwahn eines Despoten“ könne durchaus nachvollzogen werden.

Die Reaktion der Europäischen Gemeinschaft auf diesen Tag des Überfalls, der eine absolute Zeitenwende auf dem europäischen Kontinent darstelle, sei allerdings wohl nicht nur für Putin überraschend gewesen. Für andere Abläufe innerhalb Europas schnell und stark seien die Reaktionen beschlossen worden. Inzwischen sei man in der Diskussion eines sechsten Sanktionspaketes, trug Lange vor. Es habe von Anfang an keinen Zweifel daran gegeben, an der Seite der Ukraine zu stehen und gemeinsam die Werte der Europäischen Union zu verteidigen.

Wer gemeint habe, dass sich das Parlament spalte, die Europäer zankend uneins bleiben, habe sich getäuscht. So seien sich Länder sehr schnell über den Flüchtlingsstatus der Ukrainer einig geworden, um ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt und in die Sozialversicherung zu ermöglichen. Selbstverständlich werde auch innerhalb der Union um das richtige Maß, eine Abmilderung der Folgen gerungen, denn die Länder seien eben auch unterschiedlich betroffen. Das gelte auch für global sich auswirkende Sanktionen, wie aktuell dem diskutierten Öl- oder auch späteren Gasembargo. „Verzichten wir auf russisches Öl oder Gas, müssen wir es irgendwo anders her beziehen, nehmen somit anderen Ländern Rohstoffe und Energie weg oder sorgen für erhebliche Verteuerung, was schlussendlich auf ärmere Länder zurückfällt“, verdeutlicht Lange die globalen Auswirkungen.

Vor Lange hatten Landrat Adomat und Bürgermeister Blome in ihren Grußworten ebenfalls Bezug auf den Krieg in der Ukraine genommen. Für Musik sorgte das Blasquartett der Schulband des Humboldt-Gymnasiums. Bei Kaffee und Kuchen bestand die Möglichkeit, zu Gesprächen.

Der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD) hält den Festvortrag. Foto: Klaus Titze